Neben dem Kompressor, dem Equalizer und dem Delay ist der Hall, auch Reverb genannt, ein weiteres wertvolles Tool, das jeder Tontechniker beherrschen sollte. Aber wie so vieles im Bereich der Musikproduktion, ist das Erlernen und das effektive Anwenden eines solchen Werkzeugs erst einmal mit viel Aufwand verbunden. Um dir die Sache etwas zu erleichtern, werden wir in diesem Beitrag die unterschiedlichen Hall-Varianten, alle notwendigen Parameter und grundlegende Anwendungen von Reverb genauer betrachten.

Wer die Musik der 80er kennt und liebt, dem wird der fast schon überbordende Einsatz von Hall in dieser Ära ein Begriff sein. War er für die damalige Zeit ein mehr als relevantes Stilmittel, so wird der Hall in modernen Produktionen eher mit Bedacht eingesetzt. Das liegt unter anderem daran, dass viele Tontechniker oft lieber einen echten Raumklang mitaufnehmen und, dass sich die Hörgewohnheiten teils stark verändert haben. Der Sound der 80er ist aber trotzdem in gewissen Genres relevant.

1. Reverb Bauarten


Wie Kompressoren, Equalizer und jede andere Technologie ist auch der Hall einer stetigen Evolution unterworfen. Im Laufe der Zeit brachte diese die unterschiedlichsten Ansätze, Reverb auf synthetischem Wege zu erzeugen, hervor. Dazu zählen digitale Lösungen genauso wie mechanische.

1.1 Die Hallkammer (Chamber)


Die Hallkammer war eines der ersten Konzepte um aufgenommene Signale nachträglich mit Hall zu versehen. Dabei wurde das Signal an einen Lautsprecher, der in einem separatem Raum steht, geschickt und dort wieder mit einem Mikrofon aufgenommen. Dieses verhallte Signal wurde dann dem Direktsignal beigemischt und so mit einem „künstlichen“ Hall versehen. Diese Methode ist auch heute noch in Verwendung und kann von jedem der Boxen, ein Mikrofon und etwas Zeit hat an jedem beliebigen Ort durchgeführt werden.

1.2 Der Plattenhall (Plate)


Der Plattenhall ist ein mechanischer Hall bei dem das trockene Signal durch eine Metallplatte geschickt und danach wiederaufgenommen wird. Dadurch entsteht ein sehr dichter Hall, der sich in Mischungen gut durchsetzen kann und vor allem auf Schlagzeugelementen seine Stärken ausspielen kann. Heutzutage hat nahezu jedes Hall-Plugin eine Simulation eines Plattenhalls an Bord, was die Anschaffung so eines klobigen Gerätes dankenswerterweise überflüssig macht.

1.3 Der Federhall (Spring)


Der Federhall ist eigentlich eine vereinfachte Version des Plattenhalls, wobei als Hallerzeuger keine Metallplatte, sondern eine Feder benutzt wird. Diese Art von Hall findet vor allem in vintage Gitarrenverstärkern Anwendung und benötigt wenig Platz. Er liefert für diesen Zweck ein brauchbares Ergebnis, ist aber sicher nicht jedermanns Sache. In den meisten modernen Gitarrenverstärkern, die Hall an Bord haben, werden aber schon digitale Lösungen eingesetzt.

1.4 Der Algorithmische Hall (Digital)


In den 80er Jahren waren Elektrotechnik und Digitaltechnik so weit fortgeschritten, dass gut klingende digitale Hallgeräte entwickelt werden konnten. Dabei wird von der dahinter liegenden Technik ein Raum simuliert und der Hall dieses Raumes mit verschiedenen Algorithmen berechnet. Diese Art von Reverb war sehr prägend für die Pop- und Rockmusik der 80er Jahre. Moderne Geräte und Plugins können so mit verhältnismäßig geringem Rechenaufwand schon enorm guten Raumklang nachbilden.

1.5 Der Faltungshall


Der Faltungshall ist ein digitaler Hall, der auf sogenannten Impulsantworten (Impulse Response = IR) basiert. Dabei wird eine Impulsantwort eines Raumes erstellt, anhand dieser der Klang des Raumes in einem Plugin wieder zum Leben erweckt werden kann. Signale, die in diesen Reverb geschickt werden, können nun mehr oder weniger digital in diesen „echten“ Raum gestellt werden. So können auf einfache Weise die Lieblingssamples oder Loops in die Konzerthallen dieser Welt gebracht werden.

2. Reverb Parameter


Nahezu jeder Hardware-Reverb und jedes Hall-Plugin hat bestimmte Parameter, mit denen die wichtigsten Klangeinstellungen am Reverb vorgenommen werden. Um deine Plugins oder Geräte kennenzulernen, solltest du verschiedene aufgenommene Signale an den Hall senden und mit den einzelnen Parametern herumspielen. So bekommst du ein Gefühl dafür, was welche Änderung bewirkt.

2.1 Erstreflexionen (Early Reflections)


Erstreflexionen, bei vielen Hall-Plugins Early-Reflections (ER) genannt, sind jene Schallereignisse, die als erste an einer Wand auftreffen und als Reflexionen wieder zum Ohr des Zuhörers zurückgeworfen werden. Sie kommen von allen umgebenden Wänden, der Decke und dem Boden und treffen im Verhältnis zum Direktschall später ein, sind leiser und, je nach reflektierender Oberfläche, in bestimmten Frequenzbereichen gedämpft. Sie definieren den Grundsound des Reverbs und verschwimmen mit steigender Zeit und Anzahl zur sogenannten Hallfahne.

2.2 Pre-Delay


Der Pre-Delay oder die Anfangszeitlücke ist jene Zeit, die die Erstreflexionen im Verhältnis zum Direktschall benötigen, um am Ohr des Zuhörers einzutreffen. Wenn du z.B. im Zentrum eines großen Raumes stehst und die Schallquelle unmittelbar vor dir ist, ist der Pre-Delay sehr hoch, da der Schall zu den umgebenden Wänden und von dort zurück zu deinem Ohr länger braucht als von der Schallquelle vor dir. Beim Einstellen des Pre-Delay ist auch zu beachten, dass, wenn die Anfangszeitlücke zu groß wird, die Erstreflexionen oft schon als Echo und nicht mehr als Hall wahrgenommen werden.

2.3 Nachhallzeit (Reverb Time) und Hallfahne (Tail)


Nach den Erstreflexionen kommt die sogenannte Hallfahne. Diese besteht aus vielen dichten und immer leiser werdenden direkten Reflexionen aber auch aus Reflexionen dieser Reflexionen, die mit der Zeit bis zur Unhörbarkeit abklingen. Die Geschwindigkeit des Abklingens wird in der Raumakustik z.B. mit dem „RT-60“ Wert angegeben. Werden die Erstreflexionen oft nur gefühlt wahrgenommen, da sie, je nach Pre-Delay Einstellung, mit dem Direktsignal verschmelzen, so ist die Hallfahne das was allgemein als Hall bezeichnet wird. Mit der Nachhallzeit gibst du in deinem Hardware- oder Plugin-Reverb an, wie lange die Hallfahne andauern soll und steuerst so auch zum Teil die gefühlte Größe deines virtuellen Raumes.

2.4 Halldichte (Density)


Die Halldichte oder Density regelt die Dichte der Hallfahne, ist aber nicht auf jedem Hallgerät oder Plugin verfügbar. Je höher die Dichte, desto mehr direkte Reflexionen und Reflexionen von Reflexionen kommen im Nachhall vor, wodurch der Klang dichter wird. Das kann vor allem in komplexen Mischungen mit vielen Spuren nützlich sein, damit die Hallfahne genug Durchsetzungsvermögen hat.

2.5 Raumgröße (Size)


Mit der Raumgröße bestimmst du die Abmessungen deines virtuellen Raumes und beeinflusst so den Klang des Reverbs, den Pre-Delay und auch die Länge der Nachhallzeit. Das zugrundeliegende Prinzip ist dabei ganz einfach: je größer der Raum, desto länger der Pre-Delay und desto länger ist auch die mögliche Hallfahne.

2.6 Diffusion / Dispersion (Streuung)


Die Diffusion gibt an wie stark die Reflexionen von den virtuellen Wänden zerstreut werden sollen. In echten Räumen wird Schalldiffusion mit Diffusoren erzeugt, wobei das Klangbild des Halls dadurch feiner aufgelöst wirkt. Wenn Räume keine Diffusion aufweisen, klingen die Erstreflexionen teilweise wie ein hartes Echo und die Hallfahne kann kantig und hart wirken.

2.7 Mischverhältnis (Mix)


Jeder echte Raum reagiert unterschiedlich auf bestimmte Frequenzen und kann so unerwünschte Frequenzanteile in einem aufgenommenen Raumsignal unvorteilhaft hervorheben. Für diesen Zweck bieten manche Reverb-Plugins und Hardwaregeräte die Möglichkeit das Signal mit Hoch- und Tiefpassfiltern oder gar mit einem mehrbandigen Equalizer zu bearbeiten, bevor es in die Reverb-Engine geschickt wird. So kann sichergestellt werden, dass der Hall erst gar nicht auf unerwünschte Frequenzen reagiert.

2.8 Hochpass, Tiefpass und Equalizer


Das Mischverhältnis regelt den Anteil zwischen Hall (wet) und Direktsignal (dry). Das ist relevant, wenn der Hall direkt auf eine Instrumentenspur angewendet wird. Bei der Verwendung als Send-Effekt soll der Mix-Regler immer auf 100% „wet“ stehen und der Hallanteil nur mit dem Send-Pegel im jeweiligen Instrumentenkanal geregelt werden.

3. Anwendung eines Reverbs


Hall wird vor allem dazu verwendet, um im zweidimensionalen Stereofeld, in welchem du deine Instrumente anordnest, eine Tiefenstaffelung zu erzeugen. Das heißt, dass du den Eindruck erweckst, dass manche Elemente weiter entfernt sind als andere. Um das zu bewerkstelligen gibt es mehrere Möglichkeiten von denen ich dir hier einige, die ich auch selber verwende, kurz erklären möchte.

3.1 Positionierung mit unterschiedlichem Pre-Delay


Bei dieser Methode wird ein Hall-Plugin mit identischen Einstellungen auf mehreren Send-Effektspuren verwendet, wobei sich aber die Pre-Delay Werte zwischen den einzelnen Plugin-Instanzen unterscheiden. Dabei ist z.B der Pre-Delay von Hall eins 0 ms, von Hall zwei 10 ms, von Hall drei 30 ms und von Hall vier 50 ms. Wenn eine Schallquelle nun unmittelbar vor dir in einem großen Raum steht, wird das Signal als sehr direkt wahrgenommen – der Pre-Delay ist hoch. Wenn die Schallquelle aber weiter entfernt vor dir steht, verschwimmt das Direktsignal immer mehr mit dem Raumklang – der Pre-Delay ist niedrig. Mit diesem Wissen kannst du nun verschiedene Schallquellen mit den verschiedenen Hall-Plugin-Instanzen unterschiedlich weit vom Zuhörer entfernt positionieren.

Wenn du z.B. eine Stimme verhallt aber trotzdem direkt vor dir haben möchtest, schickst du sie in den Hall mit dem höchsten Pre-Delay (in unserem Beispiel 50 ms). Eine Gitarre oder ein Piano, das weiter hinten im imaginären Raum stehen soll, schickst du dann z.B. in den Hall mit 10 ms Pre-Delay usw. Diese Vorgehensweise erfordert zwar etwas Übung, kann aber ein sehr homogenes Klangbild erzeugen, das den Eindruck vermittelt, dass alle Elemente im selben imaginären Raum stehen.

3.2 Breite – Tiefe – Höhe


Bei dieser Methode, die z.B. Fab Dupont von Pure Mix benutzt, verwendest du drei verschiedene Reverb-Varianten auf Send-Effektspuren, um den Eindruck von Breite, Tiefe und Höhe zu erzeugen. Das erste Reverb-Plugin ist dabei nur für die Erstreflexionen zuständig, die einen Grundeindruck von Breite erzeugen. Das heißt aber, dass die Hallfahne vollständig deaktiviert werden muss, was leider nicht bei allen Plugins möglich ist. Hier solltest du einen Reverb verwenden, der in diesem Bereich seine Stärken hat, wie z.B. der Sonnox Oxford Reverb.

Das zweite Plugin ist für die Tiefe verantwortlich. Das funktioniert für meinen Geschmack am besten mit Plate-Emulationen, wie z.B. dem EMT 140 von Universal Audio, da diese eine sehr dichte, gut hörbare und durchsetzungsfähige Hallfahne erzeugen.

Das Reverb-Plugin, das für die Höhe verantwortlich ist, soll den Eindruck vermitteln, man stünde in einer Kathedrale oder in einer großen, hohen Konzerthalle mit langer Hallfahne. Dafür eigenen sich z.B. algorithmische Reverb-Emulationen wie die des EMT 250 von Universal Audio. Mit einer Kombination aus diesen drei Varianten kannst du nun einen Raumeindruck nach deinem Geschmack erzeugen, wobei du sehr genau beachten solltest, welchen Track du in welchen Reverb schickst, da ja bekanntlich weniger oft mehr ist.

3.3 Reverb als Effekt


Waren die ersten beiden Varianten noch auf den Einsatz als Send-Effekte ausgelegt, kannst du den Hall natürlich auch direkt als Insert-Effekt auf einer Spur anwenden. Das macht z.B. dann Sinn, wenn der Hall ein fixer Bestandteil des aufgenommenen Signals sein soll und du nicht planst irgendwelche anderen Signale in diesen Hall zu schicken. Der Nachteil von dieser Methode ist der erhöhte Ressourcenverbrauch, falls du mehrere Signale so bearbeiten möchtest.

Fazit


Reverb ist, obwohl er in modernen Produktionen oft nicht mehr klar auszumachen ist, unverzichtbar um einen Mix zu einem homogenen Ganzen werden zu lassen. Gerade die Unauffälligkeit macht ihn aber umso herausfordernder zu meistern, da es dadurch schwieriger ist von anderen Aufnahmen zu lernen. Das ist aber nicht weiter tragisch, da der Einsatz von Reverb auch sehr stark vom persönlichen Geschmack abhängt. Du kannst damit deinem Stil eine klare, eigene Signatur verleihen – oft mehr als das mit EQ und Kompression möglich ist. Trau dich Sachen mal anders zu machen als der Rest.

Wenn du mehr Fragen zum Thema Recording hast, kannst du gerne in meinen Homerecording Beiträgen nach Antworten stöbern.