Obwohl eine gute Raumakustik unverzichtbar für ein gutes Endergebnis ist, wird bei diesem wichtigen Thema meist zu wenig oder zu spät investiert. Damit du nicht die gleichen Fehler wie ich und so viele andere machst, oder diese zumindest aus tiefer Überzeugung, werde ich in diesem Beitrag die Grundlagen der Raumakustik etwas genauer unter die Lupe nehmen. Also vergiss die Eierkartons und ran an die Arbeit.

Raumakustik hat eine schlechte Lobby! Wo dir Marketingabteilungen von Plugin- und Hardwareherstellern das blaue vom Himmel versprechen und dich in deiner Facebook-Timeline mit zielgerichteter Werbung zuschütten, wirst du eher selten etwas über Schallschutz oder Raumakustik, geschweige denn eine Anzeige eines Akustikers finden. Das ist zum einen verständlich, da sich im Homerecording-Bereich selten jemand einen Akustiker leistet, zum anderen aber auch schade, da auf diesem Weg großes Potential verschenkt wird. Darum werde ich hier mal eine Lanze für die Raumakustik brechen und versuchen, die Basics kurz und bündig zu erklären.

1. Grundlagen des Schalls


Bevor du deinen Raum für eine Schallwiedergabe optimieren kannst, solltest du ein grundlegendes Verständnis für Schall, in unserem Fall Luftschall, entwickeln. Da dieser aber leider nicht sichtbar ist, bist du dabei auf deine eigene Vorstellungskraft angewiesen, was aber für einen Kreativmenschen wie dich kein Problem darstellen sollte.

1.1 Wie entsteht Schall?


Schall ist ein durch eine Schallquelle angeregtes Hin- und Herschwingen von Luftteilchen. Typische Schallquellen sind z.B. die menschliche Stimme oder die Membran eines Lautsprechers. Wenn sich die Membran eines Lautsprechers z.B. nach vorne bewegt, werden die Luftteilchen an dieser Stelle angestoßen und die Luft dabei komprimiert – es entsteht ein Überdruckbereich. Sobald die Membran sich wieder zurück bewegt, entsteht hinter dem Über- ein Unterdruckbereich. Die Luftteilchen nehmen die Bewegungsenergie der Membran auf und stoßen dabei weitere Luftteilchen an, die diese Energie  aufnehmen und ebenfalls weitergeben – auf diesem Wege breiten sich die Über- und Unterdruckbereiche weiter aus und es entsteht eine Schallwelle.

Grundsätzlich breitet sich Schall in jene Richtung aus, in die die Membran gerichtet ist. Je tiefer aber die wiedergegebene Frequenz wird, desto mehr wird diese direktionale zu einer omnidirektionalen Welle – das heißt, der Schall breitet sich dann kugelförmig aus.

1.2 Die Hörschwelle


Im Gegensatz zum Mikrofon, kann das menschliche Gehör nicht alle Frequenzen gleich gut wahrnehmen. Gerade bei tiefen Frequenzen ist es relativ unempfindlich. Das heißt, dass diese Frequenzen einen hohen Schalldruckpegel benötigen, damit sie überhaupt wahrgenommen werden können. Diese sogenannte Hörschwelle kannst du in der Kurve nach Robinson und Dadson ablesen. Am empfindlichsten ist das Gehör im Bereich von ca. 200 Hz – 7 kHz. Das ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass dieser Frequenzbereich für das Sprachverständnis zuständig ist. Auch in der Musik wird dort sehr viel Information transportiert, weshalb es wichtig ist, dass dieser Frequenzbereich in deinem Raum auch wahrheitsgetreu abgebildet wird.

2. Was ist Raumakustik?


Um die Akustik in deinem Raum zu verbessern, kannst du an zwei Punkten ansetzen. Das wäre zum einen die Bauakustik und zum anderen die Raumakustik.

2.1 Bauakustik


Die erste und effizienteste Möglichkeit der unkontrollierten Schallausbreitung in einem Raum Herr zu werden, ist die Bauakustik. Wie der Ausdruck schon vermuten lässt, wird hier mit baulichen Maßnahmen versucht den Schall im Raum so umzulenken, dass an den neuralgischen Punkten das bestmögliche Klangbild entsteht. Diese Methode wird vor allem beim Bau von Konzertsälen, aber auch bei Aufnahme- und Regieräumen in Studios eingesetzt, da in solchen Fällen meist keine oder nur geringe Einschränkungen von der Bausubstanz her vorgegeben sind.  Im Homerecording-Bereich ist es leider selten möglich, die Bausubstanz grundlegend zu verändern. Deshalb bist du auf Raumakustikmaßnahmen angewiesen, mit denen sich aber auch so große Verbesserungen des Raumklanges erzielen lassen.

2.2 Raumakustik


In  der Raumakustik geht es nun darum, einen bestehenden Raum an die Anforderungen einer Studioumgebung anzupassen. Da in solchen Fällen meist nicht in die Bausubstanz eingegriffen werden kann, wird mit Schallabsorption oder Schalldiffusion versucht, unerwünschte Reflexionen oder Frequenzanteile zu absorbieren oder zu zerstreuen. Viele Hersteller bieten für diese Zwecke vorgefertigte Module an. Mit ein wenig handwerklichem Geschick und etwas Zeit, kannst du hervorragende und kostengünstige Absorber oder Diffusoren aber auch selber bauen.

3. Absorber und Diffusoren


Um den Schall in deinem Raum unter Kontrolle zu bringen, gibt es verschiedene Möglichkeiten: Entweder du versuchst ihn zu absorbieren, bevor er zu einer störenden Reflexion wird, oder du versuchst ihn zielgerichtet zu zerstreuen.

3.1 Breitbandabsorber


Um die Schallschwingungen, also die Bewegung der Luftteilchen, zu absorbieren, muss die Bewegungsenergie in eine andere Energieform umgewandelt werden – in diesem Fall Wärme. Dazu kann man sich das Prinzip der Reibung zunutze machen: Dabei wird ein poröses, also luftdurchlässiges, Material benutzt, welches einen hohen Strömungswiderstand aufweist. Wenn nun Schall in dieses Absorbermaterial eindringt, reiben sich die Luftteilchen an der porösen Struktur und wandeln dabei ihre Bewegungsenergie teilweise in Wärme um. Nach diesem Prinzip arbeiten Breitbandabsorber (auch poröse Absorber genannt). Den Frequenzbereich in dem diese Absorber arbeiten, kannst du mit der Materialstärke regulieren: je dicker das Material, desto tiefere Frequenzen können absorbiert werden. Gängige Materialien für Breitbandabsorber sind z.B Akustikschaumstoff, Melaminharzschaum (z.B. Basotect®) oder Steinwolle.

3.2 Plattenschwinger


Für den Frequenzbereich zwischen 100 und 400 Hz verwendet man die sogenannten Plattenschwinger, die mit wenig Platzaufwand relativ gut absorbieren. Breitbandabsorber müsste man im Gegensatz dazu sehr dick konstruieren. Plattenschwinger nutzen das Feder-Masse Prinzip. Das heißt, sie gehen bei einer bestimmten Frequenz in Resonanz und können diese Frequenz effektiv absorbieren. Der Nachteil von Plattenschwingern ist, dass sie nur sehr schmalbandig rund um die Resonanzfrequenz absorbieren und das restliche Frequenzspektrum unberührt bleibt. Es ist daher wichtig vorher auszumessen, wo in deinem Raum die Problemfrequenzen liegen und einen Plattenschwinger zielgerichtet auf diese Frequenz hin zu konstruieren.

3.3 Helmholtz-Resonator


Eine der effektivsten Absorberarten für tiefe Frequenzen ist der sogenannte Helmholtz-Resonator. Er gehört, wie der Plattenschwinger, zu den Resonanzabsorbern und gerät bei einer bestimmten Frequenz in Eigenschwingung. Dabei entsteht eine Resonanzschwingung die genau gegenphasig zur ankommenden Schwingung ist und diese zu einem gewissen Grad abschwächen kann – das dahinter liegende Prinzip ist die destruktive Interferenz. Ein Helmholtz-Resonator kann aber nie mehr Gegenschwingung erzeugen, als die ankommende Schallwelle liefert – du kannst ihn also nie zu stark bauen.

3.4 Diffusoren


Neben der Absorbtion von Schall, gibt es auch noch das Prinzip der Diffusion. Dabei wird der Schall nicht absorbiert und dabei in Wärme umgewandelt, sondern diffus im Raum verteilt – er wird also zerstreut. Wenn du am Abhörpunkt keine harten Reflexionen haben, aber den Raum auch nicht zu stark bedämpfen möchtest, kannst du mit Diffusoren die Reflexionen in bestimmten Frequenzbereichen gezielt steuern. Aufgabe eines Diffusors ist es, den Schall über ein möglichst großes Frequenzspektrum zu zerstreuen. Dabei gibt es verscheidene Konzepte, wie z.B. Maximalfolge-, QRD- oder PRD-Diffusoren. Falls du dir selbst einen Diffusor bauen möchtest, kannst du zur Berechnung das kleine gratis Programm QRDude verwenden.

4. Soft- & Hardwarelösungen


Raum- und bauakustische Maßnahmen sind nur eine Möglichkeit der Raumakustikoptimierung. Du kannst auch den Frequenzverlauf deines Lautsprechersignals an die Gegebenheiten deines Raumes anpassen. Dafür haben verschiedenen Hersteller Hard- und Softwarelösungen im Angebot.

4.1 Raumkorrektursoftware


In jedem Raum sind gewisse Frequenzen durch Interferenz überbetont oder unterrepräsentiert. Raumkorrektursoftware wie z.B. von Sonarworks oder IK-Multimedia kann dir dabei helfen, deinen Raum so anzupassen, dass der Frequenzverlauf am Abhörpunkt weitgehend linear ist. Dabei wird an verschiedenen Punkten rund um deine Abhörposition die Raumantwort mit einem speziellen Messmikrofon ausgemessen und ein Profil davon erstellt. Anhand dieses Profils kann nun eine Software die Problemfrequenzen mit einem Equalizer anheben oder absenken. Das Signal, welches dann über deine Monitore wiedergegeben wird, ist nun speziell an deinen Raum angepasst und sollte am Abhörpunkt einen nahezu linearen Frequenzverlauf haben. Da die Software aber nur in das Frequenzspektrum und nicht in die Nachhallzeit eingreift, ist sie auf keinen Fall ein Ersatz für grundlegende Raumakustikmaßnahmen.

4.2 Hardwarebasierte Raumkorrektur


Nach demselben Prinzip wie Raumkorrektursoftware arbeitet auch hardwarebasierte Raumkorrektur. Es wird mit einem eingebauten oder einem externen Messmikrofon die Raumantwort ermittelt, anhand der ein Equalizer bestimmte Frequenzen absenkt oder anhebt bis ein weitgehend linearer Frequenzverlauf erreicht ist. Wie bei der Software gilt auch bei der Hardware, dass sie auf keinen Fall ein Ersatz für grundlegende Raumakustikmaßnahmen ist.

5. Raumakustik optimieren


Um deinen Raum möglichst schnell in eine brauchbare Abhörumgebung umzuwandeln, kannst du auch mit einfachen Mitteln und durch gezielte Optimierung an verschiedenen Positionen ein sehr gutes Ergebnis erzielen.

5.1 Erstreflexionen


Beginnen wir mit den Erstreflexionen: Das sind jene Schallschwingungen, die als erste an einer Wand auftreffen und als Reflexionen wieder zu deinem Ohr zurückgeworfen werden. Durch diese Reflexionen kann es zwischen dem Direktsignal aus deinen Studiomonitoren und dem reflektierten Schall zu Interferenzen, also Auslöschungen und Überbetonungen bestimmter Frequenzen, kommen. Solche Erstreflexionen entstehen an den Wänden, der Decke und dem Boden und sollten absorbiert oder umgelenkt werden.

5.2 Nachhallzeit (RT60)


Neben dem Unterbinden von Erstreflexionen ist auch die Nachhallzeit deines Raumes von Bedeutung. Diese wird meist mit dem Wert RT60 (Reverb Time 60) angegeben. Dieser Wert sagt aus, wieviele Sekunden der Nachhall benötigt, um im Verhältnis zum Ausgangspegel um 60 dB abgeklungen zu sein. In einem Abhörraum strebt man eine ähnliche Nachhallzeit an, wie sie im Raum eines Musikkonsumtenten, z.B. im Büro oder Wohnzimmer, vorzufinden ist. Dadurch hat sich in der Praxis ein RT60 Wert von 0,25 – 0,3 Sekunden für Regieräume etabliert.

5.3 Seitenwände


Die einfachste Methode Erstreflexionen zu verhindern ist sie mit Breitbandabsorbern oder selbstgebauten Steinwollabsorbern zu absorbieren. Wenn du ein begrenztes Budget hast, fängst du am Besten mit den Wänden links und rechts deines Abhörplatzes an.

Wo du die Absorber anbringen musst, kannst du recht einfach mit dem Spiegeltrick herausfinden: Dazu setzt du dich an deinen Abhörplatz und lässt jemanden einen Spiegel an z.B. die rechte Wand halten. Wenn du nun den rechten Studiomonitor im Spiegel siehst, markierst du dir diesen Punkt. Sobald du auch den linken Monitor siehst, markiere auch diesen Punkt. Das sind nun die Erstreflexionspunkte, an denen du deine Absorber anbringen solltest. Wiederhole diesen Vorgang auch für die gegenüberliegende Wand. Weiters kannst du noch hinter deinen Studiomonitoren Absorber anbringen, um auch die Reflexionen von dieser Wand zu unterbinden.

5.4 Raumecken


Tieffrequenter Schall ist in der Raumakustik immer ein Problem das schwierig in den Griff zu bekommen ist. Da sich tiefe Frequenzen kugelförmig ausbreiten, werden sie von allen Wänden, der Decke und dem Boden deines Raumes reflektiert. Dadurch kommt es in den Raumecken zu Schallstaubereichen. Dort ist es nun wichtig Bassfallen anzubringen. Diese können entweder aus Schaumstoff oder aus mit Steinwolle gefüllten Würfeln oder Zylindern bestehen. Am einfachsten ist es wohl aus 5×8 cm Kanthölzern ein ca. 60×60 cm großes Gehäuse in den Raumecken zu bauen, dieses mit Steinwolle zu füllen und, der Optik wegen, mit Stoff zu verkleiden.

5.5 Decke und Boden


Da die Decke und der Boden auch Schall reflektieren, kannst du deine Raumakustik dort weiter optimieren. Am einfachsten geht das mit einem sogenannten Deckensegel. Die gibt es entweder vorgefertigt von verschiedenen Herstellern zu kaufen oder du baust dir aus Holz, etwas Stoff und Steinwolle eines selber. Die Reflexionen vom Boden sind aber mit einfachen Mitteln so gut wie nicht in den Griff zu bekommen, da du dort keine porösen Absorber anbringen kannst. Das Naheliegenste, nämlich ein Teppich, würde auch nur sehr hohe Frequenzen absorbieren. Ein weiteres störendes Element können auch Reflexionen deiner Tischplatte sein, die aber aus praktischen Gründen auch schwierig zu absorbieren sind. Versuche also zumindest die Reflexionen von der Decke unter Kontrolle zu bringen.

Fazit


Raumakustik ist ein komplexes Thema. Es gibt aber genug Möglichkeiten deinen Raum mit einfachen Mitteln in den Griff zu bekommen. Durch moderne Technik und leistungsstarke PCs kannst du mit Hilfe von Software noch das letzte Quäntchen aus deiner Abhörumgebung herausholen. Um aber wirklich das bestmögliche Ergebnis zu erzielen, ist es ratsam, einen guten Kompromiss aus Raumakustik, Softwarelösungen und, wenn möglich, Bauakustik zu finden. Falls du tiefer in dieses Thema eintauchen möchtest, kann ich dir das Buch Studio Akustik von Andreas Friesecke oder auch den Thomann Studio Akustik Ratgeber empfehlen. Tabellen und Kurven zu Absorptionsgraden verschiedener Materialien kannst du hier finden.

Wenn du mehr Fragen zum Thema Recording hast, kannst du gerne in meinen Homerecording Beiträgen nach Antworten stöbern.